Wehe uns!

Oh weh! Das kennen wir aus unserem Sprachbrauch. Auch in der Bibel gibt es Weherufe. Aber was bedeutet das Wort eigentlich? Im Wortbedeutungswörterbuch heißt es: Die Interjektion „wehe“ ist ein Ausruf der Bestürzung, der Klage, des Kummers, und des Leids.

Wir leben in einer Zeit, wo mich – obwohl ich nicht als besonders emotional extrovertiert gelte – doch ein erhebliches Maß an Bestürzung und Kummer ergreift. Kummer und Bestürzung über die Entwicklung in unserer Welt. Und ich verspüre das Bedürfnis, meinen inneren Zustand mit Wehe-worten auszudrücken.

Wehe den Schwergläubigen, die nicht mehr vertrauen können, die geübt sind in Unterstellungen und Vorurteilen gegenüber Autoritäten und Verantwortlichen, denn ihr Leben wird seine Stabilität und Zuversicht verlieren.

Wehe den Leichtgläubigen, die ungeprüft die Botschaften von klassischen und Onlinemedien aufsaugen, denn ihr Lebensschiff wird wie ein Boot im Wind hin- und hergeworfen.

Wehe den Einseitigen, die verlernt haben, sich ein differenziertes Bild von Geschehnissen und Interpretationen zu machen, denn sie meinen die Wahrheit erkannt zu haben, ohne sie zu erkennen.

Wehe den Allseitigen, die es sich angewöhnt haben, alle Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Meinungen für sich pluralistisch als gut zu werten, denn sie verlieren den Lebenskompass.

Wehe den Intoleranten, die sich selbst als Maßstab für Gut und Böse setzen und dem Nächsten sein Recht auf andere Meinung absprechen, denn sie können nicht mit Gottes Nachsicht rechnen.

Wehe denen, die nicht mehr zwischen gut und bösen unterscheiden, denn sie werden ihr Lebensruder verlieren.

Wehe den Hasspredigern, die ihren Zorn Andersgläubigen oder Andersdenkenden entgegenschreien, denn sie werden ernten, was sie gesät haben.

Wehe denen, die keine Botschaft mehr für ihr Leben haben, denn sie wird die Sinnlosigkeit befallen.

Nicht zufällig heißt der Teufel in der griechischen Sprache Diabolos, der Durcheinanderbringer. Die Welt gerät zunehmend durcheinander. Ich komme angesichts der Botschaften, die verbreitet, der Geschehnisse, die berichtet werden, durcheinander.

Menschen werden sortiert in Impfbefürworter und Impfgegner, in Trumpisten und Nicht-Trumpisten, in Linke und Rechte, in „Einheimische“ und Immigranten – in Menschen und Unmenschen?

Letzteres hatten wir ja schon mal in Deutschland: Da gab es die Menschen und – die Juden. Wenn wir da wieder ankommen, sehen wir in den Abgrund unserer (Un-)Menschlichkeit, dann siegen Gewalt, Tyrannei, Hass und Verblendung, dann ist alles durcheinandergebracht.

Ich habe zu viel Hass gesehen, als dass ich selber hassen möchte.
Martin Luther King

Ich bitte die Impfbefürworter: Versteht die Bedenken der Impfgegner!

Ich bitte die Impfgegner: Versteht, dass die Impfbefürworter den Nutzen ihrer Impfung höher einschätzen als den Nutzen der Ablehnung der Impfung.

Ich bitte die Trumpisten, dass sie bereit sind, aus den Rastern ihres Denkens herauszutreten und die vielfältigen Aspekte von Wahrheit und Unwahrheit wahrzunehmen.

Ich bitte die Linken und die Rechten, die in ihrer Gesinnung extrem geworden sind, dass sie die Menschenwürde höher achten als ihre Ziele.

Ich bitte die „Einheimischen“ darüber nachzudenken, wie viele Immigranten oder Flüchtlinge sich in ihrem Familienbaum befinden und wie viele Immigranten oder Flüchtlinge sie schon bereit waren kennen zu lernen.

Ich bitte die Immigranten und Flüchtlinge nicht aufzuhören sich in die Gesellschaft zu integrieren und die Zuversicht nicht wegzuwerfen, auch wenn die Familie in der Ferne ist.

Wir müssen lernen, entweder als Brüder miteinander zu leben oder als Narren unterzugehen.

Martin Luther King